Ich wende eine Kombination verschiedener Techniken an, die das Stretching mit einem Workout verbinden. Meine Dehntechniken stretchen und kräftigen die Muskeln gleichzeitig und wirken dadurch positiv auf das zentrale Nervensystem ein.
Das zentrale Nervensystem im Rückenmark schützt Muskeln, Sehnen und Gelenke vor Verletzungen. Es schätzt die Gefährlichkeit von Bewegungen ein und erteilt gegebenenfalls den Befehl zur Gegenspannung. Dadurch tritt der sog. Dehnreflex ein, ein spürbares Ziehen, das eine weitere Dehnung verlangsamt bzw. verhindert. Das bedeutet, dass das Nervensystem letztendlich unsere Dehnbarkeit limitiert! Seine Reizschwelle kann durch verschiedene Tricks herabgesetzt werden, die eine tiefere Dehnung ermöglichen:
● Atmungs- und Entspannungstechniken
● Faszientraining und Nervenmobilisation für eine verbesserte Signalübertragung zwischen Muskeln und Nervensystem
● abwechselnd An-
und Entspannung des gedehnten Muskels (Antagonist -> dann spricht man auch von exzentrischem Training) oder des aktiven Muskels (Agonist) in der Dehnung = isometrisches Stretching, PNF,
Anspannungs-Entspannungs-Dehnen, funktionales Stretching
● Kräftigung des
Agonisten während der Dehnung, teils gleichzeitig Verbesserung des Gleichgewichts = active stretching, loaded progressive stretching
● Einsatz von Hebeltechniken zur Schaffung von mehr Spielraum für eine tiefere Dehnung; isoliertes Dehnen einzelner Muskeln = kinesiologisches Stretching)
Diese Techniken sorgen für mehr Sicherheit, Kraft, Koordination und Bewegungsfreiheit im Spagat und anderen Positionen. Der Muskel signalisiert dem Nervensystem, dass er sich in der Dehnpose stark und sicher fühlt und das Nervensystem speichert diese neue Information für die nächste Stretching-Session ab.
Bei der klassischen Herangehensweise im Vereinssport, in vielen Tanzstudios, Youtube-Videos etc. wird passiv in der jeweiligen Position verharrt und gewartet, bis man durch die Muskelermüdung automatisch tiefer in die Dehnung sinkt. Dabei wird der Muskel nicht ausreichend aktiviert, dementsprechend das Nervensystem nicht im gleichen Maß beeinflusst und der Fortschritt ist deutlich langsamer.
Praxis-Beispiel:
Mein persönlicher Schwachpunkt beim Backbending sind die oberen Hüftbeuger, genaugenommen der Psoasmuskel, der an der Oberschenkelvorderseite sitzt und vom Oberschenkelknochen bis hoch zur Wirbelsäule verläuft (verkürzt durch 20 Jahre lang Hohlkreuz). Wenn man, ohne dieses Problem zu erkennen, mich nun direkt in die "Kobra" oder sogar in die Brücke gehen lassen würde, würde ich meine mangelnde Hüft-Flexibilität in erster Linie mit der sehr nachgiebigen Lendenwirbelsäule kompensieren. Dadurch würde viel Gewicht meines Oberkörpers auf nur wenige Wirbel einwirken und ich würde nach einiger Zeit unter Rückenschmerzen oder schlimmerem leiden. Im Bild sieht man, wie viele Muskeln in der Brücke gedehnt werden:
Von den Handgelenkbeugern über die Schultern bis zu den 6 verschiedenen Hüftbeugern sind mehr als 12 Muskeln beteiligt.
Anstatt in diese Pose zu gehen und sämtliche Muskeln nur ein bisschen zu dehnen, ist es klüger, zuvor Übungen zu wählen, die ausschließlich und sehr effektiv meinen größten Schwachpunkt
angreifen:
Erst eine vorbereitende Faszienübung mit dem Ball an den Hüften. Darauf folgen Active Stretching Übungen, die eher die Aktivierung und Kräftigung von Po / Hamstrings in einer tiefen Range
bewirken sowie Übungen für die Außenrotation des Synergisten "Side Butt" / Gluteus Medius. Nun isolierte Hüftbeugerdehnungen durch kinesiologisches Stretching. Danach bietet sich eine Runde
Anspannungs-Entspannungs-Dehnen an.
Nach etwa 5 Übungen ist diese Körperpartie vorbereitet und - falls die anderen schön aufgewärmt wurden - bereit für Posen wie die Brücke. Hier ist die Dehnung nun besser über den Körper verteilt, sieht gleichmäßig, enger und schöner aus und ist gesundheitlich unbedenklich.
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